Stuttgarter Nachrichten vom 7.7.2003

Am Egert scheiden sich die Geister
Stadt forciert Vorzeigebaugebiet, Gegner halten Lage und Planung für Flop

Esslingen - Während die Stadtverwaltung das umstrittene Baugebiet Egert in Zell zügig vorantreibt und höchstes architektonisches Niveau anstrebt, verlangen die Gegner weiterhin "die Unterlassung aller weiteren Schritte zur Realisierung der Splittersiedlung".

VON ANNETTE MOHL

Als wisse einer nicht, was der andere tut, ziehen Initiatoren und Kritiker des Projektes unnachgiebig an einem Strang - allerdings in entgegengesetzte Richtungen. Die Stadtverwaltung hat gar "eine Strategie" entwickelt, wie Wolfgang Ratzer, Leiter der Stadtentwicklungsplanung, jetzt erklärte. Diese sei notwendig, um Zufälligkeiten und Beliebigkeit zu vermeiden: "Der Markt wird es schon regeln", sei bei dem hohen Anspruch für das Baugebiet auf Zells Höhen sicher der falsche Weg.
Um keine Fehler zu begehen, hat sich Ratzer bereits wertvolle Tipps bei Ostfilderns Stadtplanungsamtsleiter Karl-Josef Jansen geholt. Denn ausgerechnet der Scharnhauser Park, der bereits mehrfach für seine Architektur und Stadtplanung mit wichtigen Preisen ausgezeichnet wurde, soll Messlatte sein für den Egert. "Dort wurde ein Verfahren entwickelt, auf das wir zurückgreifen wollen, damit sich unsere Qualitätsvorstellungen auch widerspiegeln", erklärte Ratzer jetzt.
Die erste Planungsphase soll deshalb im Workshop-Verfahren erfolgen. Vor allem soll das Gebiet über den Stadtteil Zell hinaus bekannt gemacht werden, um "Realisierer" zu gewinnen. In Ostfildern bewährt hat sich auch ein Gestaltungsbeirat aus kompetenten, externen Mitgliedern, der nun auch für den Egert gebildet wird. Im Workshop selbst sollen dann baugesuchsreife Haustypen entwickelt werden. Mit der Baugenehmigung beginnt der Grundstücksverkauf.
Aus Sicht der Gegner des neuen Baugebiets ist das Projekt dagegen ein Flop. So könnten die geplanten 80 Passivhäuser schon deshalb nicht realisiert werden, weil sie so dicht aneinander geplant seien, dass sie sich gegenseitig Sonneneinstrahlung wegnehmen würden und damit die erwünschte Energieeinsparung nicht erreicht werde. Die Agenda-Gruppe stellt in einer Studie fest, dass die geplanten Gebäude bis zu elf Prozent mehr Energie verbrauchten als ein Haus in Standard-Niedrigenergiebauweise. Von einem "für Jahrzehnte richtungsweisenden Vorhaben", wie von OB Zieger behauptet, könne also keine Rede sein.
Beeinträchtigt werde die Energiebilanz - und das Ziel der Nachhaltigkeit - durch die Randlage: So wird von zwei Autos ausgegangen, die pro Wohneinheit täglich bewegt werden: Nur in großer Distanz gebe es Kindergärten (1,7 Kilometer), eine Schule (1,5 Kilometer), Sportplätze (zwei Kilometer) und das nächste Einkaufszentrum (2,4 Kilometer). Und schließlich entwerte die Zufahrt ein Landschaftsschutzgebiet.