Esslinger Zeitung vom 8.7.2003

Welche Rechte haben Minderheiten?
Zum Thema: "Lokale Agenda 21":

Die Gruppen der Lokalen Agenda 21 widmen sich der Aufgabe, Okologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit in der Stadt unter einen Hut zu bringen. Auch die Agenda-Gruppe Geiselbachtal hatte sich zur Aufgabe gemacht, speziell für ein Brennpunktgebiet in Esslingen nach Lösungen zu suchen, die diesem Ziel gerecht werden. Im Vordergrund stand die Frage, wie die bekannte Lärm- und Abgasproblematik dieser Straße angepackt werden kann. Seit dem Start der Lokalen Agenda hat diese Gruppe gearbeitet: Sie hat einen Ideen- und Maßnahmenkatalog entwickelt, sie hat einen runden Tisch mit Vertretern der Stadt zu Wege gebracht, der mehr als zehn Mal zusammengetroffen ist, sie hat dem Gemeinderat einen Elf-Punkte-Plan vorgelegt, es sind Aktionen wie zum Beispiel eine Demonstration mit über 500 Teilnehmern entstanden.
Was hat sich seither tatsächlich getan? Zunächst zwei kleinere positive Maßnahmen: Im unteren Bereich der Straße ist Tempo 30 eingeführt worden, der teilweise vorhandene Radweg wurde beleuchtet. Dann: Der Straßenbelag wird zur besseren Befahrbarkeit erneuert (ohne den angekündigten "Flüsterbelag"). Jedoch vor allem: Die Aufsiedelung wird mit den neuen Wohngebieten in verstärktem Maße fortgesetzt.
Der Oberbürgermeister sagt den Anwohnern, dass "bei 16 000 Fahrzeugen pro Tag ein paar Hundert zusätzlich nicht ins Gewicht fallen". Gemeinderäte berufen sich bei ihren Entscheidungen auf die Argumentationslinie des OB, der das Wohl der Gesamtstadt gefährdet sieht, wenn die neuen Wohngebiete nicht gebaut würden und daher die Zumutungen an die Anwohner in Kauf genommen werden müssten. Der Bau neuer, alternativer Straßen wurde geprüft. Ergebnis: Früher wär's vielleicht möglich gewesen, aber heute - schon wegen der Kosten - aussichtslos! Im Übrigen ist die früher geplante und teilweise bis jetzt noch freigehaltene Straßentrasse zur Bebauung freigegeben worden.

So ist angesichts der Belastungen das Ergebnis der Bemühungen nicht nur sehr mager, auch die Erfahrungen sind äußerst frustrierend.

Das Fallbeispiel wirft zudem grundsätzliche Fragen auf: Wie wichtig ist dieser Stadt die Förderung einer die Gesundheit ihrer Mitbürger erhaltenden Umwelt, wie sozialverträglich sind die Maßnahmen, die von Bürgern für Bürger beschlossen werden, und schließlich: Welche Rechte haben Minderheiten in Esslingen und wie wird mit Minderheiten umgegangen?

Martina Ruff
Dr. Rolf Schneider
Siegmund Wuchner
Esslingen