Esslinger Zeitung vom 12.12.2002
Statistik heizt Streit über Baupolitik an

Esslingen (do) - Die Tatsache, dass die Einwohnerzahl der Stadt Esslingen seit 1999 steigt, heizt den Streit über die Baupolitik an. Im Zentrum steht das Argument, dem Rückgang der Bevölkerung könne mit neuen Baugebieten begegnet werden. Befürworter der Baupolitik verteidigen sich mit dem Hinweis, kurzfristige Trends dürften nicht überbewertet werden.

Die Prognosen im Rathaus stehen auf dem Prüfstand. Vor zwei Jahren hatten Statistiker befürchtet, 2010 könnte die Einwohnerzahl auf 85 000 Menschen sinken. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Zur allgemeinen Überraschung weist die Kurve seit der Jahrhundertwende nach oben. Am 30. Juni 2002 waren es 91239 Einwohner. Dass es 1997 nur 89 300 waren, ist fast in Vergessenheit geraten.

Der Hinweis auf die sinkende Einwohnerzahl spielte in der Vergangenheit eine Rolle, wenn Oberbürgermeister und Stadträte erklärten, warum die Stadt in Zell, Oberesslingen, Rüdern und Sulzgries neue Baugebiete braucht. Die jüngsten Statistiken sind wenig geeignet, ihre Position zu untermauern. Für Gegner der Baupolitik bilden die Zahlen ein gefundenes Fressen. Sie fühlen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Statistik als Argument für die Baupolitik nicht taugt.

Wolfgang Ratzer, Abteilungsleiter im Stadtplanungsamt, sieht sich nach der Kritik zu einer Klarstellung veranlasst. "Die Prognosen zu den Einwohnerzahlen gehörten nie zu den zentralen Argumenten für die Esslinger Baupolitik." Neue Zahlen seien folglich kein

Grund, von den Bauplänen abzurücken. Ratzer warnt überdies, vorschnelle Schlüsse aus der jüngsten Statistik zu ziehen. Er verweist auf Aussagen des Statistischen Landesamts, wonach die Zahlen in Baden-Württemberg bis 2010 noch leicht anwachsen. Anschließend rechnet die Behörde mit einem Rückgang. Für 2030 wird eine, Zahl von zehn Millionen genannt (heute: 10,7 Millionen). Ratzer lehnt es in Esslingen folglich ab, von einer Trendwende zu sprechen. Mittelfristig geht er weiter von einem Rückgang aus.

Mehr Gewicht als dieser Prognose misst Ratzer der Bevölkerungsstruktur bei. Die Befürworter der Baupolitik verfolgen das Ziel, mit neuen Baugebieten junge Familien zu binden. Dieses Ziel steht unverändert auf der Tagesordnung.