Esslinger Zeitung vom 12.7.2002

Befürworter der Baupolitik stoßen auf eine geschlossene Front
ES-Zell: Podiumsdiskussion über den Eingriff im Egert - Kritiker stellen Notwendigkeit des Vorhabens in Frage und drohen mit Wegzug

Von Hermann Dorn

Die Sympathien in Zell waren klar verteilt, als im evangelischen Gemeindehaus über die Baupläne im Egert gestritten wurde. 200 Besucher standen geschlossen hinter den Wortführern des Widerstands.
Stunden vor der Podiumsdiskussion hatte sich über Esslingen ein Gewitter entladen. Befürchtungen, am Abend könnte es im Gemeindehaus ein Donnerwetter anderer Art setzen, erwiesen sich als überzogen. Die Streithähne warfen sich zwar gegenseitig vor, mit unseriösen Argumenten zu arbeiten und den Gegner persönlich zu verunglimpfen. EZ-Chefredakteur Rainer Läubig durfte als Diskussionsleiter am Ende aber feststellen, dass das Gebot der Fairness beachtet worden ist.
In der Sache selbst gab es keine Annäherung. Auf dem Podium verteidigten die Stadt- und Ortschaftsräte Rüdiger Lambrecht (SPD) und Edward-Errol Jaffke (CDU) die Absicht, über dem Neckartal ein Baugebiet mit 104 Wohnungen zu errichten. Werner Barth und Klaus Amler (beide vom Veranstalter, dem Arbeitskreis "Kein Neubaugebiet Zeller Egert") hielten dagegen. Sie stuften die Baupläne als überflüssig und ökologisch schädlich ein. Außerdem behaupteten sie, zusätzlicher Verkehr in der Kirch- und Bachstraße sei mit einem Verlust an Wohnqualität für Zell verbunden.
"Wir müssen auf die sinkenden Einwohnerzahlen reagieren", erklärte Lambrecht. Esslingen verliere durch den Wegzug junger Familien mehrere hundert Menschen. Das Argument, fehlender Wohnraum lasse sich durch einen konsequenten Rückgriff auf Baulücken schaffen, akzeptierte Jaffke nur mit erheblichen Abstrichen. "Der Gemeinderat nimmt dieses Thema sehr ernst", so Jaffke. Er stoße aber an Grenzen, "weil wir keinen Grundstücksbesitzer zwingen können, eine Baulücke zu schließen". Der Anteil der Eigentümer, die ihre Baumöglichkeiten nicht nutzten, sei gewaltig.
Lambrecht und Jaffke räumten ein, dass der Eingriff in die Freifläche mit ökologischen Nachteilen verbunden ist. Mit einem umweltfreundlichen Energiekonzept lasse sich aber ein Ausgleich schaffen. Jaffke wehrte sich gegen ein St. Floriansprinzip. "Wenn wir in Esslingen neue Baugebiete verhindern, entstehen die Wohnungen außerhalb des Ballungsraums. Pendler legen zur Arbeit weite Wege mit dem Auto zurück. Ist das ökologisch?"
So sehr sich die Ortschafts- und Stadträte auch mühten: Pluspunkte konnten sie nicht sammeln. Dagegen ernteten Kritiker auf dem Podium und im Publikum lautstarken Beifall, wenn sie den Ortschaftsrat beschuldigten, die Interessen der Zeller zu ignorieren oder wenn sie mit ihrem Wegzug drohten.
Breiten Raum nahmen die Verkehrsfragen in der Bach- und Kirchstraße ein. Die Zahlen der Stadtverwaltung stießen ebenso auf Misstrauen wie die Aussage, dass die geplante Lösung der landesweiten Praxis entspricht. Amler räumte immerhin ein, dass die Verkehrsprobleme zu bewältigen sind. Die Machbarkeit hält er aber nicht für die entscheidende Frage. "Wichtig ist doch, dass wir diesen zusätzlichen Verkehr nicht wollen", so Amler.
Heftige Proteste handelte sich Lambrecht mit seinem Vorwurf ein, Barth verfolge als direkter Anlieger des Neubaugebiets mit seinem Widerstand persönliche Motive. Das Publikum wertete diesen Angriff als "Unverschämtheit" und als "Schlag unter die Gürtellinie".