Esslinger Zeitung vom 4.6.2003

Anlieger verteidigt entschlossen seinen Boden
ES-ZELL: Stadt strebt Enteignung in der Kirchstraße an - Geländestreifen wird für Ausbau benötigt

Von Hermann Dorn
 

Für das Tiefbauamt wird es langsam eng. Ende Juni soll der Ausbau der Kirchstraße in Zell abgeschlossen werden. Und noch immer fehlt der Zugriff auf eine 30 Quadratmeter große Fläche. Am 4. Juni entscheidet das Regierungspräsidium über den Antrag des Rathauses, den Anlieger zu enteignen.
Den Stempel des klein karierten Querulanten lässt sich Gerhard Schickler nicht aufdrücken. "Ich kämpfe um mein Recht", behauptet der Zeller, der seit seiner Geburt im Jahr 1932 im elterlichen Haus in der Kirchstraße lebt. Hartnäckig wehrt er sich gegen die städtischen Pläne, wonach er einen etwas mehr als einen Meter breiten Geländestreifen abtreten soll, der außerhalb seiner mächtigen Gartenmauer verläuft.
Wenn es um sein Eigentum geht, kennt Schickler kein Pardon. Der Baufirma, die seit Monaten die Kirchstraße ausbaut, untersagte er das Betreten seines Bodens. Wohl oder übel musste sich das städtische Tiefbauamt fügen. Der Unterbau für die Fahrbahn ist in diesem Abschnitt fast fertig. Was fehlt, ist Schicklers Grundstück. Es ragt bis heute in die öffentliche Fläche hinein.
Der Anlieger wähnt sich als Opfer der Behördenwillkür. "Die Stadt macht auf meinem Grundstück, was sie will", behauptet er und ärgert sich über die Position des Rathauses, für die öffentliche Nutzung würde es ein Gewohnheitsrecht geben. Unterstützt wird er in seinem Widerstand von dem Arbeitskreis, der sich gegen das Neubaugebiet Egert wehrt. Werner Barth, der Sprecher des Arbeitskreises, spricht von einem weiteren Beispiel für das wenig bürgerfreundliche Verhalten der Stadtverwaltung.
Schickler sieht sich nicht als Prozesshansel. "Ich habe kein Interesse an einem langen Rechtsstreit", betont er. Sein Ziel ist eine weitere Engstelle der 5,50 Meter breiten Fahrbahn, wie sie auch 60 Meter entfernt im Bereich des Gemeindehauses verwirklicht worden ist.
Der Vorteil einer solchen Lösung: Der Puffer vor seiner Gartenmauer bliebe erhalten - ein Ziel, das Schickler aus Sicherheitsgründen am Herzen liegt. Er und seine Familie empfänden es als Zumutung, wenn die Schutzzone vor ihrer Gartentür wegfiele und sie mit dem ersten Schritt auf der Straße stünden. Die Engstelle hält der Kirchstraße-Anlieger noch aus einem zweiten Grund für sinnvoll: "Sie würde das Tempo drosseln."
Reinhard Mattl, stellvertretender Leiter des Tiefbauamts, kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. "Wir hätten die Grundstücksfrage gerne ohne Enteignungsverfahren geklärt." Doch der Eigentümer weigere sich, mit der Verwaltung zu reden. Deshalb sei es auch nicht möglich gewesen, die Forderung des Ortschaftsrats Zell zu erfüllen, den Konflikt vor dem Ausbau der Kirchstraße zu lösen.
Im Rathaus räumt man ein, dass im Tauziehen um den Geländestreifen der eine oder andere Fehler unterlaufen ist. So verschwanden die Grenzpunkte, die Schickler auf eigene Kosten anbringen ließ. "Dafür haben wir uns aber entschuldigt", so Mattl, der sich im Übrigen auf den Bebauungsplan beruft. "Für unser Vorgehen haben wir mit diesem Instrument eine rechtliche Grundlage." Die Forderung nach einer weiteren Engstelle lehnt Mattl mit Rücksicht auf den Verkehr ab. Eine Gefahr für die Sicherheit vermag er nicht zu erkennen, zumal die Stadt nach dem Erwerb des umkämpften Bodens vor der Mauer einen 25 bis 30 Zentimeter breiten Streifen plant, der sich bis zu zwölf Zentimeter von dem übrigen Niveau der Straße abheben soll.
15 Jahre sind vergangen, seit die Stadt Esslingen erstmals versuchte, sich mit dem Bürger zu einigen. Am Mittwoch könnte das letzte Kapitel in dem langen Streit aufgeschlagen werden. Schickler genießt in dieser entscheidenden Phase die Sympathien vieler Zeller. Ob er auch das Recht auf seiner Seite hat, bleibt dagegen abzuwarten.