Esslinger Woche vom 4.6.2003

Bürgernähe - nur ein Wort?
Von Wilhelm Blumerski

Esslingens vielbeschworene Qualitäten als Bürgerkommune, als Stadt der Agenda und Bürgerbeteiligung, als Hort der transparenten Politik, sind - einmal mehr - ins Gerede gekommen. Und wieder sorgt die städtische Baupolitik, die Art und Weise, ihrer Umsetzung, in der Bürgerschaft für Unmut und Protest.

Da ist zunächst einmal die letzte Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt (ATU) Gegenstand verärgerter Reaktionen. Die Bürgefinitiative Naturerhalt Rosselen stellt tief enttäuscht die Bürgernähe von Verwaltungsspitze und Gemeinderat in Frage (s. S. 4). Hierbei wird ein grenzenloses Misstrauen in die Politik offenbar; so hält es die Initiative für möglich, dass die Tagesordnung der ATU-Sitzung deshalb nicht in der Zeitung als Amtliche Bekanntmachung veröffentlicht wurde, um die Bürgerschaft von der Sitzung fern zu halten. Es ist bezeichnend, den Gedanken, es könnte sich schlicht um ein Versehen (und formalen Fehler?) handeln, zieht die Bürgerinitiative gar nicht in Erwägung. Auf so viel Skepsis braucht niemand stolz zu sein. Wundert es da noch dass die Initiative schließlich OB Zieger "Ignoranz" vorwirft, weil er in der ATU-Sitzung, wohl wissend, dass die genaue Tagesordnung den Zuhörern unbekannt sei, nicht deren Wortlaut mitgeteilt habe? Es wäre jedenfalls bürgernah gewesen.

Unnötige Geheimniskrämerei und einen Fußtritt für die Bürgerkommune sehen Esslinger Bürger auch in dem aktuellen Enteignungsverfahren gegen Gerhard Schickler aus Zell, das heute in nichtöffentlicher Sitzung stattfindet. Darin geht es um die ungeklärte Situation eines Geländestreifens auf seinem Grundstück, das für den Ausbau der Kirchstraße zum Neubaugeblet Egert benötigt wird. Schickler fordert vor allem, dass auch nach dem Ausbau der Straße noch ein sicherer Zugang zu seinem Haus gewährleistet ist, um nicht beim Schritt vor die Haustür Gefahr zu laufen, angefahren zu werden. Obwohl er die Stadtverwaltung aufforderte, die Grenzen seines Grundstücks zu respektieren, rückte im Dezember 2002, wohl auf Geheiß des städtischen Eigenbetriebs Stadtentwässerung Esslingen, der Schaufellader an..., Schickler stellte sich ihm in den Weg. Ein Querulant?

Teilweise völlig unbeteiligte Bürger - ihnen kann man keine egoistischen Interessen in den Rosselen oder im Egert vorwerfen - forderten nun eine öffentliche mündliche Verhandlung im Enteigungsverfahren Schickler, weil sie der Politik der verschlossenen Türen misstrauen. Und weil sie es nicht gutheißen können, wenn ein Bagger lange vor Abschluss eines rechtstaatlichen Verfahrens vollendete Tatsachen schaffen soll. Und was macht die Stadt Esslingen? Sie widerspricht beim Regierungspräsidium einer öffentlichen Verhandlung. Die interesssierten Bürger müssen also draußen bleiben. Bürgernähe ade.

So säht man Argwohn - eine hiesige Form der Bürgerbetelligung?