Esslinger Zeitung vom 7.1.2003

Spaziergang mit Einkaufstüten
ES-ZELL: Gegner des Neubaugebiets Egert testen Verbindung zur S-Bahn

Von Sabine Försterling

Ein Spaziergang mit Einkaufstüten am Dreikönigstag brachte den Beweis: Nicht zehn Minuten Gehzeit wie von Oberbürgermeister Jürgen Zieger behauptet ist das geplante Neubaugebiet Egert vom Bahnhof Zell entfernt. Für den Anstieg hinauf benötigten die Gegner des Neubaugebiets das gut das Doppelte an Zeit.

Wer wird sich da nicht lieber ins Auto setzen, vor allem wenn man einkaufen geht oder müde von der Arbeit heimkommt? Diese Frage stellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Dreikönigs-Spaziergangs.

Rund 50 Interessierte, Jung und Alt, waren dem Aufruf des Arbeitskreises "Kein Neubaugebiet Zeller Egert" gefolgt. Anstoß für den ungewöhnlichen Spaziergang war eine Behauptung des Esslinger Oberbürgermeisters Jürgen Zieger. In einem Interview in der Eßlinger Zeitung hatte er nämlich gesagt: "In zehn Minuten Gehzeit können Sie vom Egert in Zell eine S- Bahn und sämtliche Busverbindungen erreichen." Man müsse Wohnraum dort schaffen, so hatte der OB in dem Zeitungsinterview weiter ausgeführt, wo ein leistungsfähiger öffentlicher Nahverkehr angeboten werde. Die Menschen dagegen im ländlichen Raum anzusiedeln, erzwinge nur zusätzlichen, erheblichen Verkehr.

Aber genau den befürchten auch die Gegner des geplanten Neubaugebietes in Zell. Dort sollen in 100 Wohneinheiten rund 400 neue Einwohnerinnen und Einwohner eine Bleibe finden. Vornehmlich soll das Neubaugebiet jungen Familien offenstehen.

"Schleifen Sie mal ihre Kinder da hoch, das ist kein Spaß", meinte Ingrid Wenzelburger. Mit ihren fünfjährigen Sohn Felix fährt sie heute schon mit dem Auto hinauf zu ihrem Garten auf dem Egert. Die zukünftige Belastung durch das zu erwartende erhöhte Verkehrsaufkommen machte ihr Sorgen. Werner Barth vom Arbeitskreis hatte vor dem Bahnhof in Zell gefüllte Einkaufstüten verteilt, um so realistische Bedingungen für den Aufstieg zu Fuß zu schaffen.

In der Kirchstraße zog sich dann schon bald der anfangs geschlossene Trupp in die Länge. Stetig ging es auf der gut einen Kilometer langen Strecke bis zum geplanten Neubaugebiet bergan. Bis zu sieben Prozent Steigung waren zu bewältigen.

Lisa Kuhn hielt mit ihrem Gehstock tapfer mit, kam aber doch ab und zu aus der Puste. Den, der hier einen Kasten Sprudel auf dem Buckel hoch trägt, wollte ihr Mann einmal kennen lernen, tat sie kund. "Die setzen sich doch alle ins Auto."

Und ein Vater trug seine beiden Söhne im Alter von zwei und vier Jahren das letzte Stück bis zur Friedenslinde. Übrigens sind weder der Oberbürgermeister noch die Gemeinde- und Ortschaftsräte der Einladung des Zeller Arbeitskreises gefolgt.

In einem Brief an Werner Barth war das Esslinger Stadtoberhaupt jedoch bei seiner Einschätzung geblieben, dass im geplanten Baugebiet in "zumutbarer Entfernung und Erreichbarkeitszeit ein leistungsfähiger ÖPNV zur Verfügung stehe".

Die geübte Wanderin Anke Ziesenis benötigte 18 Minuten und der Letzte traf schließlich nach etwas mehr als 20 Minuten am Rande des Egert ein.

06.01.2003